Von vielen Chinesen wird der Spruch als Fluch empfunden: „Mögest du in interessanten Zeiten leben!“ Zweifellos trifft solch destruktiv Spannendes auf die Gegenwart zu: Das Klima befindet sich im radikalen Wandel, die EU in latenter Krise, die US-Amerikaner erleben seit Jahren eine harte Bewährungsprobe für ihre Demokratie. Der Krieg im Osten Europas und die dauernde Gewalt im Nahen Osten sowie allgemein wachsendes Elend im globalen Süden trüben das Leben ein.

Hierzulande stimmt man in dieser Situation aus Selbstschutz wohl Alfred Polgar zu, der vor mehr als hundert Jahren schrieb: „Die Lage in Österreich ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“ Um wie vieles eleganter wurde dieser Zweck-Optimismus mitten im Real-Pessimismus 1997 im Titel eines italienischen Films ausgedrückt. „La vita è bella“ ist eine Tragikomödie, bei der man lacht, obwohl der Tod bereits zu weinen wagt, „mitten in uns“. Wir suchen also Rat bei Rainer Maria Rilke, der in der ersten Duineser Elegie den Zusammenhang zwischen Kallos und Thanatos herstellt: „Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.“ Wir dürfen also auf Gnade hoffen, auch in finsteren Tagen. Lassen wir uns aufs Schöne ein, hier im Klangraum von Waidhofen an der Ybbs. Dieses Jahr wurde auf unserer Insel der Künste ein frohes Motto im Meer der Traurigkeit gewählt: „Das Leben ist schön!“

Die Vorfreude ist groß, auf den phänomenalen Bass Günther Groissböck, der uns in ebenfalls bewegte Zeiten führt und ein existenzielles Ringen miterleben lässt, von Franz Schuberts „Prometheus“ bis zu Gustav Mahlers „Urlicht“, kongenial begleitet von Julius Drake am Klavier. Freuen wir uns dann auf den neuen „Werther“. Kaum einer oder eine kennt diesen Stürmer und Dränger so gut wie der Ausnahme-Schauspieler Philipp Hochmair. Der aktuelle Jedermann bei den Salzburger Festspielen hat Johann Wolfgang von Goethes Bestseller-Briefroman von 1774, „Die Leiden des jungen Werthers“, quasi seriell seit 1997 verkörpert. Er versetzt Goethes tragischen Selbstmörder im Klangraum Waidhofen in aktuelle Zustände.

Die Schlagzahl, man glaubt es kaum, erhöht sich dann sogar noch. „Alles ist möglich“ heißt es bei der Percussionistin Vivi Vassileva. Sie hat ihr Können bei Großmeister Martin Grubinger perfektioniert. Das Leben im Klangraum bleibt schön. Genießen wir danach die „Kunst des Duos“; Alina Pogostkina auf der Violine und Danjulo Ishizaka auf dem Violoncello harmonieren bei Werken von Mozart, Bach und Kodály.

Am Ende wird es noch einmal zutiefst traurigfroh: „La vita é bella – das Leben ist schön“, weiß auch Karl Markovics. Der Schauspiel-Star rezitiert aus dem Drehbuch von Roberto Benignis wunderbarem Kinofilm, begleitet von Alon Sariel auf Mandoline und Laute mit Klängen von Bach. Man sieht, hört, spürt also: Der Klangraum wird wieder höchst interessant sein. Aber bitte nicht mutlos in Hoffnungslosigkeit verfallen! Wir sollten dort frei nach Rilke in jene Schwingung geraten, „die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft“.

Ich freue mich auf Ihren Besuch!

Ihr Thomas Bieber

Klangraum Waidhofen

Für viele Klassikliebhaber hat sich der Klangraum Waidhofen zu einem der arriviertesten Kammermusikfestivals Österreichs entwickelt.

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